Pflichtverletzung: Testamentsvollstreckerin haftet auf Schadensersatz, wenn sie Erbanteile falsch ausbezahlt (Dienstag, 21.05.2019)
Bei der verantwortungsvollen Aufgabe der Testamentsvollstreckung können Fehler passieren. Dass dies unter Umständen zu Schadensersatzansprüchen der Erben oder des Finanzamts gegen den Testamentsvollstrecker führen kann, beweist der Fall des Oberlandesgerichts München (OLG) wie folgt.
Eine Frau setzte in ihrem Testament ihre fünf Töchter als Erbinnen ein und ordnete Testamentsvollstreckung durch eine Rechtsanwältin und Steuerberaterin an. In dem Testament wurde zudem bestimmt, dass für zwei der Schwestern größere Geldbeträge, die diese bereits erhalten hatten, als Vorempfänge zu berücksichtigen sind. Nach dem Tod der Frau verkaufte die Testamentsvollstreckerin die Immobilien aus dem Nachlass und zahlte allen Schwestern den gleichen Betrag aus, berücksichtigte also entgegen den testamentarischen Vorgaben die Vorempfänge nicht. Die Testamentsvollstreckerin verlangte daher die zu viel gezahlten Beträge von den beiden Schwestern entsprechend zurück und mahnte diese mehrfach an, ohne dass diese jedoch den Betrag zurückzahlten. Eine der anderen Schwestern verklagte daraufhin die Testamentsvollstreckerin auf Schadensersatz in Höhe des ihr zu wenig bezahlten Anteils - mit Erfolg.
Das OLG gab der Schwester Recht. Es stellte fest, dass die falsche Auszahlung des Erbes eine schuldhafte Pflichtverletzung darstellte, und ließ das Argument der Testamentsvollstreckerin nicht gelten, dass der Vorgang noch nicht abgeschlossen sei.
Hinweis: Testamentsvollstrecker haften den Erben und Vermächtnisnehmern gegenüber für schuldhafte Pflichtverletzungen. Der Erblasser kann den Testamentsvollstrecker von dieser Schadensersatzpflicht in seinem Testament auch nicht befreien. Darüber hinaus kann bei Pflichtverletzungen des Testamentsvollstreckers auch ein Antrag auf Entlassung des Testamentsvollstreckers beim Nachlassgericht gestellt werden.
Quelle: OLG München, Urt. v. 13.03.2019 - 20 U 1345/18
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Gepfändeter Erbanteil: Zur Veräußerung des Erbanteils ist ein gesonderter Beschluss des Vollstreckungsgerichts erforderlich (Samstag, 18.05.2019)
In der Fachliteratur und Rechtsprechung war bislang umstritten, ob ein gepfändeter Erbanteil freihändig verkauft werden darf. Der Bundesgerichtshof (BGH) hat diese Frage nun abschließend geklärt.
Drei Personen waren zusammen in Erbengemeinschaft Eigentümer eines Grundstücks. Der Anteil einer dieser Erben wurde gepfändet und von den neuen Eigentümern verkauft. Dagegen wehrten sich jedoch die Miterben, so dass der Fall schließlich beim BGH landete.
Der BGH entschied, dass die Pfändung und Überweisung des Anteils eines Miterben am Nachlass den Vollstreckungsgläubiger nicht dazu berechtigt, den Erbanteil freihändig zu veräußern. Hierzu bedarf es vielmehr eines gesonderten Beschlusses des Vollstreckungsgerichts. Die Veräußerung kann von dem Gericht angeordnet werden, wenn die Veräußerung des Rechts selbst zulässig ist.
Hinweis: Der Anteil eines Miterben an dem Nachlass kann durchaus gepfändet werden. Damit der Gläubiger aber den Pfandgegenstand auch verwerten, also zu Geld machen kann, erfolgt durch das Vollstreckungsgericht die Überweisung der Forderung an den Gläubiger durch einen Überweisungsbeschluss. So kann dieser im Fall eines Erbanteils die Auseinandersetzung betreiben, indem er beim Nachlassgericht einen Antrag auf Vermittlung durch einen Notar stellt oder eine Teilungsklage gegen die Miterben erhebt. Er darf das Recht an dem Erbanteil jedoch nicht auf einen Dritten übertragen. Dazu ist mit dem BGH-Urteil nun ein weiterer Beschluss des Vollstreckungsgerichts nötig, der das Interesse des Gläubigers an der Befriedigung, aber auch das schutzwürdige Interesse des Schuldners berücksichtigt, der den Pfandgegenstand nicht verschleudert sehen möchte.
Quelle: BGH, Beschl. v. 07.02.2019 - V ZB 89/18
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Pflichtteilsentzug wegen Diebstahls: Das gemeinsame Bewohnen eines Hauses reicht nicht für den Nachweis einer Verzeihung aus (Samstag, 18.05.2019)
Die Entziehung des Pflichtteils ist stets nur bei schweren Verfehlungen möglich. Zudem kann es dazu kommen, dass der Erblasser trotz einer solchen Verfehlung dem Erben verzeiht. Wurde dies jedoch nicht ausdrücklich geregelt, kann es zu Streitigkeiten kommen, wie der folgende Fall des Oberlandesgericht Stuttgart (OLG) zeigt.
Eine Frau hatte in ihrem Testament ihrem Enkel den Pflichtteil entzogen, weil dieser ihr im Jahr 1992 einen größeren Geldbetrag gestohlen hatte. Wegen dieser Tat wurde er auch verurteilt. In den letzten zehn Jahren vor ihrem Tod wohnte der Enkel jedoch mit der Frau in einem Haushalt. Nachdem sie verstarb, machte er dann geltend, dass die Pflichteilsentziehung nicht wirksam sei, da sie ihm verziehen habe. Das Gericht sah das jedoch anders.
Das OLG ging davon aus, dass der begangene Diebstahl ein ausreichender Grund für die Entziehung des Pflichtteils war. Der Enkel hatte seiner Großmutter, die selbst kaum Vermögen besaß, einen großen Betrag gestohlen, und die alte Dame hegte den Verdacht, dass es sich dabei um einen Wiederholungsfall handelte. Außerdem konnte das OLG auch keine ausreichenden Anhaltspunkte für eine Verzeihung erkennen. Eine solche liegt vor, wenn der Erblasser durch sein Verhalten zum Ausdruck bringt, dass er die durch den Pflichtteilsentziehungsgrund hervorgerufene Kränkung nicht mehr als solche empfindet - er also das Verletzende der Kränkung als nicht mehr existent betrachtet. In diesem Fall konnte der Enkel nach Ansicht des Gerichts nicht darlegen, dass es durch seinen Einzug ins Haus der Erblasserin zu einem Wiederaufleben der familiären Beziehungen gekommen war. Darüber hinaus war die Erblasserin zu diesem Zeitpunkt bereits an Demenz erkrankt, so dass das Gericht Zweifel daran hatte, dass sie noch in der Lage war, den moralischen Gehalt ihres Verhaltens zu begreifen und die Bedeutung einer etwaigen Verzeihung zu erkennen.
Hinweis: Eine Pflichtteilsentziehung kommt unter anderem infrage, wenn sich der Pflichtteilsberechtigte eines Verbrechens oder eines schweren vorsätzlichen Vergehens gegenüber dem Erblasser schuldig gemacht hat. Ein solches Vergehen setzt schwerwiegende Fehlverhaltensweisen voraus, die es dem Erblasser unzumutbar machen, eine seinem Willen widersprechende Nachlassteilhabe des Pflichtteilsberechtigten hinzunehmen. Verfehlungen gegen die Eltern fallen darunter, wenn durch sie nicht nur deren Eigentum und Vermögen geschädigt werden, sondern wenn sie darüber hinaus eine grobe Missachtung des Eltern-Kind-Verhältnisses zum Ausdruck bringen und eine besondere Kränkung des Erblassers bedeuten.
Quelle: OLG Stuttgart, Beschl. v. 24.01.2019 - 19 U 80/18
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Beweislast des Klägers: Bei nicht gestelltem Beweisantrag muss kein Gericht von Amts wegen ein Gutachten veranlassen (Sonntag, 05.05.2019)
Wenn zwei sich streiten, hilft ein oft ein neutraler Dritter, der die Lage unter professionellen Gesichtspunkten betrachten und bewerten kann. Bei Gericht nimmt eine solche Position in der Regel ein Gutachter ein. Wann aber genau ein Amtsgericht ein Sachverständigengutachten einzuholen hat, klärt dieser Fall des Bundesgerichtshofs (BGH).
Hier stritten sich die Parteien im Zuge einer Mieterhöhung um die Größe der betreffenden Wohnung. Um ihr Mieterhöhungsbegehren durchzusetzen, zog die Vermieterin vor Gericht. Das damit befasste Amtsgericht (AG) wies die Vermieterin ausdrücklich darauf hin, dass die Einholung eines Sachverständigengutachtens erforderlich sei. Der Rechtsanwalt der Vermieterin hat jedoch - ebenso ausdrücklich - keinen Beweisantrag auf Einholung eines Sachverständigengutachtens gestellt. Als die Klage daraufhin abgewiesen wurde, zog die Vermieterin bis vor den BGH.
Der BGH war jedoch auch der Auffassung, dass die Vorinstanz richtig entschieden hatte. Denn auch von Amts wegen war das AG nicht gehalten, ein Sachverständigengutachten einzuholen. Es ist nicht als ermessensfehlerhaft zu beanstanden, wenn der Richter - nachdem er zuvor auf die Erforderlichkeit eines entsprechenden Beweisantrags hingewiesen hatte - wegen des offen ausgesprochenen entgegenstehenden Willens der beweisbelasteten Partei von der Einholung eines Sachverständigengutachtens von Amts wegen absieht.
Hinweis: Ob ein Sachverständigengutachten, das häufig recht teuer ist, eingeholt werden muss, sollte bereits im Vorfeld eines Prozesses besprochen werden. Es steht im Ermessen des Gerichts, ob es ein Sachverständigengutachten von Amts wegen einholt, wenn die beweisbelastete Partei ein Sachverständigengutachten nicht eigenständig beantragt.
Quelle: BGH, Urt. v. 27.02.2019 - VIII ZR 255/17
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Testierwille zweifelhaft: Testament auf einem undatierten Notizzettel ist ohne genaue Angabe eines Erben unwirksam (Sonntag, 05.05.2019)
Sie sind ein Klassiker im Erbrecht: handschriftliche Testamente, die immer wieder in ungewöhnlicher Form oder mit ungewöhnlichen Formulierungen verfasst werden. Dabei gibt es häufig Zweifel an dem Testierwillen des Erblassers, also Zweifel darüber, dass der Verstorbene das Schriftstück wirklich als Testament mit einem bestimmten Inhalt gelten lassen wollte, so auch im folgenden Fall des Oberlandesgerichts Braunschweig (OLG).
Eine Frau errichtete gemeinsam mit ihrem Mann ein Testament, in dem sie ihren Ehemann und nach dessen Tod die Kinder eines Cousins zu Erben einsetzte. Nach dem Tod des Gatten gab sie noch mehrere Entwürfe eines notariellen Testaments in Auftrag, in dem sie eine Frau zur Alleinerbin einsetzte, der sie auch eine notarielle Vorsorgevollmacht erteilt hatte. Diese Entwürfe waren jedoch nicht abschließend von ihr und einem Notar unterzeichnet. Darüber hinaus wurde noch ein handschriftlicher, undatierter, aber unterschriebener Notizzettel gefunden, auf dem die Frau geschrieben hatte: "Wenn sich für mich [...] einer findet, der für mich aufpasst und nicht ins Heim steckt der bekommt mein Haus und alles was ich habe." Nach dem Tod der Erblasserin beantragte die Bevollmächtigte einen Erbschein als Alleinerbin und trug vor, dass ein notarielles Testament nicht mehr fertiggestellt werden konnte, da die Erblasserin überraschend verstorben sei, sie selbst aber durch den Notizzettel wirksam als Erbin eingesetzt worden war. Doch hier musste das Gericht abwinken.
Das OLG ging nämlich davon aus, dass weder die Entwürfe noch der handschriftliche Zettel ein rechtsgültiges Testament darstellten. Da der Zettel nicht datiert war, ließ sich nicht feststellen, ob er vor oder nach dem Testament des Ehepaars geschrieben wurde und dieses somit widerrief. Außerdem hatte das OLG Zweifel, ob der Notizzettel mit Testierwillen verfasst wurde. Die Form - also die Verwendung eines Notizzettels - und die Formulierung sprachen nach Auffassung des Gerichts eher dafür, dass der Zettel eine Absichtserklärung oder einen Entwurf darstellten. Darüber hinaus war die letztwillige Verfügung in dem Zettel nicht ausreichend bestimmt und daher nichtig, da darin keine Person klar als Erbe festgelegt wurde. Die Person, die erben soll, muss im Testament zwar nicht unbedingt namentlich genannt werden - es muss aber so bestimmt formuliert sein, dass jede Willkür eines Dritten ausgeschlossen ist. Daher reichte dies nicht aus, um die bevollmächtigte Frau als Alleinerbin zu bestimmen.
Hinweis: Grundsätzlich kann in einem vom Erblasser eigenhändig geschriebenen und unterschriebenen Schriftstück - etwa in einem Brief oder einem Notizzettel - der letzte Wille des Erblassers enthalten sein, auch wenn dieses Schriftstück der äußeren Form nach nicht eindeutig als Testament erkennbar ist. Dann müsste jedoch der ernstliche Testierwillen des Erblassers außer Zweifel stehen. Ferner ist zwar die Angabe eines Datums in einem handschriftlichen Testament ebenfalls nicht zwingend erforderlich, jedoch ergeben sich dann automatisch Zweifel über dessen Gültigkeit. Ein Testament ist nur dann als gültig anzusehen, wenn sich die notwendigen Feststellungen über die Zeit der Errichtung anderweitig treffen lassen. Es empfiehlt sich daher, bei handschriftlichen Testamenten die übliche Form einzuhalten und diese zu datieren.
Quelle: OLG Braunschweig, Beschl. v. 20.03.2019 - 1 W 42/17
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Unantastbares Schonvermögen: Umwandlung von Eigentum zu Nießbrauchsrecht entzieht dem Elternunterhalt keine Zugriffsmasse (Sonntag, 05.05.2019)
Voranschreitende Lebenserwartungen ohne gleichsam anwachsende Einkünfte lassen dem sogenannten Elternunterhalt eine immer stärkere Bedeutung zukommen. Kinder, die für Eltern aufzukommen haben, sind nur eingeschränkt berechtigt, über ihr Vermögen zu verfügen. Wie weit solcherlei Einschränkungen gehen dürfen, musste kürzlich der Bundesgerichtshof (BGH) klären.
Eine pflegebedürftige Frau war vollstationär in einem Altersheim untergebracht. Die Kosten übernahm für die Zeit von März 2017 bis zu ihrem Tod im Dezember 2017 der Sozialhilfeträger. Dieser machte seine Aufwendungen im Regresswege beim Sohn der Verstorbenen geltend. Der Sohn teilte unter anderem mit, dass er zwar gemeinsam mit seiner Frau Eigentümer der von ihnen bewohnten Wohnung (91 qm Wohnfläche) gewesen sei. Im Oktober 2014 hätten seine Frau und er das Eigentum aber auf die gemeinsame Tochter übertragen, wobei sie sich das lebenslange Nießbrauchsrecht vorbehalten hätten. Die Wohnung könne deshalb bei der Bemessung eines von ihm zu bezahlenden Elternunterhalts nicht als Vermögensposition berücksichtigt werden. Das Amt sah dies jedoch anders: Wegen der Schenkung sei der Mann teilweise außerstande, seine Pflicht gegenüber der Mutter zu erfüllen. Er habe deshalb einen Anspruch gegenüber seiner Tochter auf Rückübertragung, den er geltend machen müsse, um wieder Eigentümer der Wohnung zu sein und diese zu Unterhaltszwecken einsetzen zu können. Doch hier hatte das Amt die Rechnung ohne den BGH gemacht.
Der BGH erkannte nämlich im Sinne des Mannes. Zwar besteht generell ein Rückforderungsanspruch, wie vom Sozialhilfeträger angesprochen. Dieser Anspruch greift aber genau dann ausnahmsweise nicht, wenn das Eigentum an einer Wohnung oder einem Haus übertragen wird, das selbst bewohnt wird, und ein lebenslanges unentgeltliches Nießbrauchsrecht vorbehalten wird. Denn selbstbewohntes Eigentum ist unantastbares Schonvermögen beim Elternunterhalt. Wenn dieses deshalb auf einen Dritten übertragen wird und das Nutzungsrecht daran lebenslang unentgeltlich weiterhin besteht, wird dem Elternunterhalt keine Zugriffsmasse entzogen.
Hinweis: Elternunterhalt ist eine mehr und mehr eigene Materie. Sich rechtzeitig
Rat einzuholen, ist sinnvoll, um im Fall der Fälle gut vorbereitet zu sein.
Quelle: BGH, Beschl. v. 20.02.2019 - XII ZB 364/18
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Reiserücktrittsversicherer muss zahlen: Eine starke Durchfallerkrankung ist ein gerechtfertigter Grund, vom Reiseantritt abzusehen (Donnerstag, 02.05.2019)
Da auf eine Reise oft lange gespart wird und auch immer etwas dazwischen kommen kann, sollte auf eine Reiserücktrittsversicherung aus Kostengründen besser nicht verzichtet werden. Dass im Ernstfall ein verhinderter Reisender und sein Versicherer jedoch völlig unterschiedliche Auffassungen über eine Reise(un)fähigkeit vertreten können, beschäftigte im folgenden Fall das Oberlandesgericht Celle (OLG).
Es ging um eine Flugreise, die ein Mann mit zeitgleichem Abschluss einer Reiserücktrittsversicherung gebucht hatte. Diese sollte sich bewähren, denn am Tag seines Abflugs litt er an einer starken Durchfallerkrankung, durch die er sich außerstande sah, die Reise anzutreten. Umso erstaunter war der Mann, als seine Reiserücktrittsversicherung lapidar meinte, dass ihm die Reise durchaus zuzumuten gewesen wäre. Schließlich hätte es sowohl während des Flugs Toiletten gegeben als auch am Urlaubsort. Da war nicht nur der Versicherte baff - auch das OLG konnte dieser Argumentation nicht folgen.
Laut OLG lag hier ein klarer Versicherungsfall für die Reiserücktrittsversicherung vor, denn der Versicherte war von einer unerwarteten schweren Erkrankung betroffen. Bei der Beurteilung der Erkrankung kommt es nicht auf eine konkrete ärztliche Diagnose an, sondern auf das Vorliegen einer krankheitsbedingten Symptomatik, die den Antritt einer Flugreise unzumutbar erscheinen lässt. Und da fast ein jeder schon einmal diese missliche Erfahrung einer Durchfallerkrankung machen musste, war hier klar: Die Versicherung musste zahlen.
Hinweis: Eine Reiserücktrittsversicherung muss also zahlen, wenn der Reisende an einer starken Durchfallerkrankung leidet. Die Versicherung kann sich ab sofort hierbei nicht mehr herausreden.
Quelle: OLG Celle, Urt. v. 03.12.2018 - 8 U 165/18
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Anonyme Samenspende: Das Abstammungsinteresse kann einen Auskunftsanspruch trotz Schweigepflicht durchsetzen (Freitag, 26.04.2019)
Die sogenannte künstliche heterologe Insemination - die künstliche Befruchtung durch eine Samenfremdspende - erfüllt kinderlosen Paaren ihren lang ersehnten Kinderwunsch schon so lange, dass durch diese Methode gezeugte Kinder als mittlerweile Erwachsene vor Gerichten die Identität ihrer biologischen Väter einfordern. Ob die Zusage der Anonymität an die Spender oder das Interesse der Kinder an ihrer eigenen Abstammung höher zu bewerten sei, ist selbst für die Gerichte nicht eindeutig zu beantworten. Der Bundesgerichtshof (BGH) hat nun zumindest für ein wenig Klarheit gesorgt.
Ein kinderloses Ehepaar unterzog sich für seinen Kinderwunsch einer künstlichen heterologen Insemination. Und das erfolgreich, denn die Frau wurde tatsächlich schwanger und schließlich Mutter. Als die mittlerweile volljährige Tochter von den Umständen ihrer Zeugung erfuhr, verlangte sie von der seinerzeit behandelnden Klinik die Angabe der Personalien des Samenspenders. Die Klinik jedoch weigerte sich, denn im Rahmen des Behandlungsvertrags sei dem Samenspender Anonymität zugesichert worden. So zog die junge Frau mit ihrem Anliegen durch mehrere Instanzen.
Zunächst scheiterte sie mit ihrer Klage in erster Instanz vor dem Amtsgericht und auch in der zweiten vor dem Landgericht (LG). Beide Instanzen hatten übereinstimmend entschieden, dass damalige Zusagen an den Samenspender, dessen Anonymität zu wahren, bindend seien. Doch dann hob der BGH das Berufungsurteil auf und verwies die Sache an das LG zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurück. Denn laut BGH seien die Urteile in dieser allgemeinen und absoluten Aussage nicht richtig. Vielmehr habe eine auf den Einzelfall bezogene Abwägung aller durch eine Auskunft betroffenen rechtlichen und grundrechtlichen Belange zu erfolgen. Da das LG als Vorinstanz diese Abwägung nicht vorgenommen hatte, erfolgte die Zurückverweisung, damit das nachgeholt wird.
Hoch angesetzt hat der BGH in seiner Begründung das Interesse des Kindes an seiner Abstammung. Die ärztliche Schweigepflicht der Klinik sei wegen einer Offenbarungspflicht gegenüber dem Kind von geringerer Bedeutung. Ein Interesse des Spenders, unbekannt zu bleiben, habe eher geringeres Gewicht. Wirtschaftliche Fragen seien dabei ohne Relevanz - im vorliegenden Fall ohnehin, weil wegen Ablauf der gesetzlichen Fristen die Vaterschaft des rechtlichen Vaters (dem Ehemann der Mutter) gar nicht mehr angefochten werden könne. Aber letztlich müsse das LG die erforderliche Abwägung vornehmen.
Hinweis: Tendenziell kann also nach dieser Klarstellung des BGH ein Kind verlangen, dass ihm der Name des Samenspenders mitgeteilt wird.
Quelle: BGH, Urt. v. 23.01.2019 - XII ZR 71/18
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Sittenwidrige Testamentsbedingung: Ein Erbe darf nicht an die halbjährliche Besuchspflicht der Enkel geknüpft werden (Freitag, 26.04.2019)
In Testamenten werden den Erben immer wieder Bedingungen gestellt, ohne deren Erfüllung sie nicht zu Erben werden. Das jedoch nicht jede Bedingung zulässig ist, beweist das folgende Urteil des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main (OLG).
Ein Mann hatte in seinem handschriftlichen Testament angeordnet, dass seine Enkel neben seiner Frau und seinem Sohn zu seinen Erben würden, "aber nur dann, wenn sie mich regelmäßig d.h. mindestens 6-mal im Jahr besuchen". Von dieser Regelung wussten die Enkel auch, besuchten ihn jedoch nur einmal pro Jahr. Nach seinem Tod verweigerte die Ehefrau den Enkeln daher ihren Erbteil.
Das OLG stellte sich jedoch auf die Seite der Enkel. Es ging davon aus, dass die Bedingung, die die Erbenstellung der Enkel von der Erfüllung einer ihnen auferlegten Besuchspflicht abhängig macht, sittenwidrig und damit nichtig ist. Nach Ansicht des Gerichts sei zwar nichts gegen den Wunsch des Erblassers einzuwenden, seine Enkelkinder in regelmäßigen Abständen bei sich zu Hause zu sehen. Jedoch hatte der Erblasser in diesem Fall durch die Formulierung im Testament in die Entschließungsfreiheit der Enkelkinder eingegriffen.
Hinweis: Grundsätzlich darf ein Erblasser die Erbfolge (abgesehen von Pflichtteilen) frei gestalten und auch an Bedingungen knüpfen. Die Sittenwidrigkeit solcher Bedingung kann nur in besonders schwerwiegenden Ausnahmefällen angenommen werden, die im Einzelfall zu prüfen sind. Dabei müssen Umstände vorliegen, die erkennen lassen, dass der Erblasser durch einen wirtschaftlichen Anreiz in einer gegen das "Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden" verstoßenden Weise ein bestimmtes Verhalten zu "erkaufen" sucht.
Quelle: OLG Frankfurt am Main, Beschl. v. 05.02.2019 - 20 W 98/18
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Kindeswohl entscheidet: Verweigert ein Kind den Umgang, darf es auch bei erwiesener Manipulation nicht dazu gezwungen werden (Montag, 22.04.2019)
Damit nach einer Trennung beide Eltern den Kontakt zu ihren minderjährigen Kindern nicht verlieren, ist die Kommunikation und Kooperation der Eltern untereinander unabdingbar. In der Natur einer Trennung liegt aber auch der Umstand, dass auf der Elternebene meist erhebliche Störungen vorliegen. Was gilt, wenn diese auch das Kind erfassen, hatte das Oberlandesgericht Brandenburg (OLG) zu bewerten.
Zwei sich trennende Eltern einer achtjährigen Tochter stritten sich gerichtlich sowohl um das Sorge- als auch das Umgangsrecht. Das Mädchen entwickelte eine enge Bindung zur Mutter, bei der sie auch lebte und die sie gegen ihren Vater manipulierte. Knapp zwei Jahre nach der Trennung sah dieser seine Tochter folglich zum letzten Mal; die Mutter verhinderte weitere Umgangskontakte. Eine Elternberatung lehnte die Mutter ab. Nach Jahren des gerichtlichen Streitens erklärte die Tochter, sie lehne ihrerseits jeglichen Kontakt mit dem Vater ab und wolle ihn nicht mehr sehen. Die Folge: Das OLG beschloss einen vollständigen Umgangsausschluss bis zur Volljährigkeit des Kindes.
Die gerichtliche Entscheidung ist hart, aber richtig. Sie muss aus der richtigen Perspektive gesehen werden - der des Kindes. Der Tochter kann es weder zum Vorwurf gemacht werden, dass sie manipuliert wurde, noch kann es ihr angelastet werden, dass es sie warum auch immer auf die Seite der Mutter zieht. Ebenso muss akzeptiert werden, dass sie der Auseinandersetzungen müde wird, mit alldem nichts mehr zu tun und deshalb keinerlei Kontakt zum Vater mehr haben will. Eine gegensätzliche gerichtliche Entscheidung, durch die der Umgang angeordnet werden würde, wäre in einer solchen Situation kindeswohlgefährdend. Und bei allen Problemen während und nach einer Trennung bleibt das Kindeswohl im Fokus der Gerichte.
Hinweis: Dem Vater bleibt nur ein schwacher Trost: Die gerichtliche Entscheidung des Umgangsausschlusses ist aufzuheben, wenn eine Gefahr für das Wohl des Kindes nicht mehr vorliegt bzw. die Erforderlichkeit der Maßnahme entfallen ist. Die Wahrscheinlichkeit einer solchen Wendung der Lage ist aber nur gering.
Quelle: OLG Brandenburg, Beschl. v. 20.12.2018 - 9 UF 86/18
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